Qualzuchten

Das Wort Qualzucht besteht aus den Wörtern Qualen und Zucht. Unter Zucht definiere ich hier einfach nur, das geplante Zusammensetzen zweier Tiere. Das Wort Qualen muss ich tatsächlich ausführlicher durchleuchten, da es hierzu viele kaum nachvollziehbare Verwendungen dieses Begriffes gibt. Qualen bedeutet, das Tier leidet. Das können Schmerzen sein, aber auch Verhaltensprobleme. Schmerzen können durch Deformationen entstehen, sowohl äußerlich sichtbar, als auch innerlich veränderte Organe oder auch durch Tumore bedingt sein. In Bezug auf Qualzucht müssen wir da ganz klar unterscheiden, ob die Schmerzverursacher genetisch bedingt sind oder durch äußere Einflüsse Schmerzen entstehen. Verhaltensprobleme, die eine Ratte einschränken sind für mich in erster Linie ausgeprägte Dominanz oder ausgeprägte Ängstlichkeit. Ein deutlich dominantes Tier hat deutlich mehr Stress im Rudel, als ein ausgeglichenes Tier, da es ständig seine Rudelstellung bestätigen muss. Ebenso hat ein äußerst ängstliches Tier mehr Stress als ausgeglichene Artgenossen, besonders im Kontakt zum Menschen.  Werden nun zwei dominante oder zwei ängstliche Tiere miteinander verpaart, dann ist das in meinen Augen Qualzucht! Es kann davon ausgegangen werden, dass sich diese Charaktereigenschaften auf die Nachzuchten übertragen und diese dadurch unnötigen Stress im Zusammenleben mit Artgenossen und dem Leben in Gefangenschaft ausgesetzt werden. Nicht umsonst verändern sich die Tiere im Laufe der Domestikation. Das züchten mit Wildratten oder Halbwilden zählt für mich eindeutig zur Qualzucht, da bei Wildratten keinerlei Domestikation stattgefunden hat. Somit haben diese Tiere ein deutlich höheres Bewegungs- und Sicherheitsbedürfnis. Diesen Bedürfnissen kann der Mensch kaum gerecht werden, daher gehören für mich weder Wilde noch Hlbwilde Ratten in die Zucht!

Körperliche Merkmale, die zu Qualen führen können, sind zum Beispiel veränderte Vibrissen. Die Vibrissen dienen in erster Linie der taktilen Wahrnehmung, die Ratte erkennt durch die Tasthaare ihre Umgebung. In freier Wildbahn verhelfen die Tasthaare der Ratte z.B. vor Fressfeinden zu fliehen, da sie über die Vibrissen wahrnehmen können, in welche Löcher sie verschwinden können. Auch bei der Nahrungssuche spielen die Vibrissen eine große Rolle, da die Ratten über die Tasthaare Oberflächenstrukturen wahrnehmen und somit Fressbares einfach fühlen. Weiterhin wird vermutet, dass Ratten über die Tasthaare auch Schallwellen aufnehmen können und die Vibrissen so die Hörleistung verbessern. In freier Wildbahn könnte sich eine Ratte also nur eingeschränkt orientieren, was insbesondere bei der Flucht vor Freßfeinden lebensbedrohlich ist, und sie wäre bei der Nahrungssuche eingeschränkt. doch was bedeutet das, für eine Ratte, die in Gefangenschaft lebt? Inwieweit ist eine Ratte mit veränderten Vibrissen in bekanntem Terrain eingeschränkt? Schauen wir uns doch mal genauer an, wie die Vibrissen überhaupt funktionieren. Die Vibrissen selber sind frei von Nerven. Die Nerven, die die haptischen Reize aufnehmen und weiter leiten sitzen an der Haarwurzel, in der Haut. Diese Nerven werden durch Bewegungen der Vibrissen stimuliert und die Informationen dann ans Hirn weitergeleitet, wo sie zu einem Bild verarbeitet werden. Enmal ein Beispiel, um die Funktionsweise deutlicher zu machen:

Nehmt einen Zahnstocher oder ein Streichholz und berührt mit dem einen Ende eure Fingerspitze, so, dass ihr die Berührung spürt, aber es nicht weh tut. Wenn ihr jetzt den Zahnstocher oder das Streichholz bewegt, dann spürt ihr das auf der Haut. So funktionieren Tasthaare.

Die Reizaufnahme an der Haarwurzel funktioniert auch bei gebogenen oder gekräuselten Vibrissen exakt auf diese Weise, allerdings ist der Wirkungsgrad eingeschränkt, da die Vibrissen nicht so einen großen Bereich erreichen, als wenn sie gerade währen. Das heißt, wenn die Ratte mit gebogenen Vibrissen den selben Raum wahrnehmen möchte, wie eine mit geraden Vibrissen, dann muss sie sich mehr bewegen. Das kostet Zeit. In freier Wildbahn wären das die Sekunden, die nötig sind, um dem Beutegreifer zu entkommen. In Gefangenschaft sind aber keine Freßfeinde zu befürchten. Sind also ein paar Sekunden länger brauchen, um seine Umgebung wahr zu nehmen, wirklich eine Qual?

Zur Qual werden Vibrissen zum einen, wenn sie nicht vorhanden sind, zum anderen, wenn sie derart deformiert sind, dass sie in die Haut oder Augen wachsen. Dieses kann zu bösen Entzündungen führen und das sind Schmerzen, also eindeutig eine Qual. Defakto heißt das für die Zucht, genau hinschauen! Veränderte Vibrissen sind nicht gleich veränderte Vibrissen! Es kommt auf die Intensivität der Veränderung an. Tiere mit stark veränderten Vibrissen dürfen auch nicht mit Standarttieren verpaart werden, recessive Fellformen tragen diese starken veränderungen dann genetisch in sich und irgendwann trifft wieder Topf auf Deckel und es entstehen wieder Tiere mit stark veränderten Vibrissen. Der verantwortungsvolle Züchter selektiert die Tiere mit den besten Vibrissen zur Weiterzucht. Tiere mit schlechten Vibrissen verpaart nur der, der keine Ahnung hat, oder der, dem es egal ist, wie es den Tieren geht.

Wo wir gerade bei Wahrnehmung waren, möchte ich jetzt auf pinkäugige Ratten eingehen. Pinkaugen gelten als Qualzucht, da sie schlechter sehen. Ratten im Allgemeinen haben nur geringe Sehleistung. Sie nehmen ihre Umgebung zum größten Teil über die taktile Wahrnehmung und über Gerüche auf. Daher ist dieses Argument für mich kein Grund, Pinkaugen generell zu den Qualzuchten zu zählen. Anders sieht es aus, wenn ein Tier pendelt. Ratten pendeln, um ihre Umgebung besser wahrnehmen zu können. Hier ist offensichtlich, dass dieses Tier Schwierigkeiten hat. Ein Tier das pendelt, egal ob pinke, rote oder schwarze Augen, zu verpaaren ist für mich eine Qualzucht!

Dann noch ein paar Worte zu Dumbo... dumbo ist nicht gleich Dumbo und es gab in der Vergangenheit durchaus gravierende gesundheitliche Probleme mit Dumbos. Auch bei der Dumbozucht heißt es, schaut genau hin, was ihr verpaart! Ein Dumbo, dessen Nacken- und Kopfpartie stark vom Standard abweicht gehört in meinen Augen weder mit Dumbo noch mit Standard verpaart. Glücklicherweise habe ich lange keine derart deformierten Tiere gesehen, wie in den Anfangszeiten der Dumbozucht.

Grundsätzlich müssen die Proportionen eines angehenden Zuchttieres stimmig sein, das gilt auch für Zwerg- und Riesenratten. Stimmen die Proportionen nicht, dann darf mit dem Tier nicht gezüchtet werden! Auf Dwarf und Fuzz gehe ich hier nicht gesondert ein, das hat meine Zuchtpartnerin Fairytales super auf ihrer Seite erklärt.

Abschliessend noch ein paar Worte zu Doublerex und co. Das Fell eines Tieres dient unter anderem der Temperaturregulation. Fällt einem Tier ständig das Fell aus und wächst wieder nach, so wird die Temperaturregulation gestört und das bedeutet Stress für das Tier. Dieser ständige Fellverlust ist bei Patchwork und bei schlechten Doubletieren sichtbar. Doublerex und Doublevelveteen, welches aus guten Ursprungstieren gezogen wurde, hat diese Probleme nicht. Leider scheinen einige Züchter Schwierigkeiten zu haben, gutes von schlechtem Rex zu unterscheiden. Leute, dann lasst es doch einfach, diese Tiere zu verpaaren und überlasst es denen, die ein gutes von einem schlechten Tier zu unterscheiden wissen!